| 21. | 2008 |
| Mär |
Die Karfreitags-Sünde
Oder: "Soll der Vogler in den Knast?!"
Wir schreiben das Jahr 2oo8. Seit zehn Jahren spielt der wunderbare Pianist Joe Kienemann solo an dem in Bayern berühmt-berüchtigten "Karfreitag": geistliche Lieder - verjazzt. Dezent, wie immer. Zehn Jahre lang kümmerte dies keinen. Außer meine erquickten Gäste. Und mich.
Aber: An "Karfreitag" gilt in Bayern ein "generelles Musikverbot" in Schankräumen (schließlich gibt es nichts teuflischeres wie ein Bier, kombiniert mit Musik), d.h. also: Es darf weder eine CD, geschweige denn Live-Musik gespielt werden. Hierbei handelt es sich um einen sogenannten "Minderheitenschutz": Der "Karfreitag" ist der höchste Feiertag der Evangelen (alle anderen Welt-Religionen werden in Bayern mit einem Minderheitenschutz nicht beglückt). Interessanterweise gibt es ein solches "Musikverbot" z.B. im evangelischen Hamburg nicht - dort gibt es ganz selbstverständlich Live-Musik-Konzerte.
Grundsätzlich stellt sich nun zum einen die Frage, ob im 21. Jahrhundert in einer toleranten Gesellschaft ein "generelles Musikverbot" noch zeitgemäß ist. Zum anderen verwunderte nach zehn Jahren "Duldung" das plötzliche rigorose Durchsetzen des gesetzlichen "generellen Musikverbotes" - ohne vorherige Ankündigung, daß es eine Duldung nicht mehr gäbe.
Wie auch immer: Die "Stadt München" schickte im 11. "Vogler-Jahr" die Polizei, anschließend einen Bußgeldbescheid über 528,50 Euro - und drohte in ihrem Bescheid u.a. mit "Erzwingungshaft bis zu 6 Wochen (...)". Die Höhe des Bußgeldes von 528,50 Euro richte sich danach, ob "die Musik zum Kommen animiere". Ein Schelm, der Böses dabei denkt.
Warum aber duldete die "Stadt München" 10 Jahre lang an Karfreitag Live-Musik im "Vogler" - und im 11. Jahr nicht mehr?! Es kam, wie es kommen mußte: Zum Prozess. "Stadt München gegen Thomas Vogler".
Die "Stadt München" erklärte in den folgenden zwei (!) Prozeß-Tagen, sie hätte: "1o Jahre lang nichts gewußt". Weder, daß im "Vogler" Live-Musik an Karfreitag gespielt werde, geschweige denn, daß dies, wenn denn dem so gewesen sein sollte, nicht gesetzeskonform sei. (Um die ganze Tragweite des letzten Satzes komplett zu verstehen, diesen einfach noch einmal lesen). Im elften Jahr hätte sie aber ein Schreiben der "Regierung von Oberbayern" bekommen, verstärkt die Einhaltung der "Karfreitags-Ruhe" zu kontrollieren:
"Dann wußten wir, daß wir etwas wissen müssen!" (besser hätte es auch Karl Valentin nicht formulieren können).
Das eigentlich Unglaubliche: Die Richterin folgte der Argumentations-Linie der "Stadt München". Ich wurde daraufhin so sauer (ja, ja das kann ich werden), daß ich die Richterin bat, den Prozeß sofort zu beenden. Wenn die "Stadt München" für mein "Vergehen" 528,50 Euro haben wolle, solle sie 528,50 Euro bekommen. Die Richterin: "Herr Vogler, nicht Sie bestimmen, wann der Prozeß zu Ende ist, sondern ich." Womit Sie, gebe ich zu, nicht ganz Unrecht hatte. Sie begann daraufhin, mit der "Stadt München" über die Höhe des Buß-Geldes zu verhandeln, woraufhin ich wieder "Frau Richterin, ich möchte Sie bitten ...", denn ich wollte nun mal nicht, stur wie ich bin, nicht, daß darüber verhandelt wurde. - Ihre Antwort war, Sie ahnen es, die gleiche wie oben. Es begann zwischen der "Stadt München" und der Richterin ein Feilschen wie auf einem türkischen Bazaar. Während ich, wie ein türkischer Samowar, still vor mich hin dampfte.
Ich wurde letztendlich "Im Namen des Volkes" zur Zahlung von 265,- Euro verurteilt. Auf meine Anmerkung (ich weiß, ich kann manchmal wahnsinnig nervend sein), es sei doch etwas verwunderlich, daß im evangelischen Hamburg Live-Musik an Karfreitag kein Problem sei, entgegnete die Richterin:
"Das sagen meine Dealer, die ich verurteile, auch immer: Das wäre aber woanders kein Problem gewesen!"
Na dann ... :-)
P.S.: Joe Kienemann spielte an Karfreitag immer Solo-Piano. Diese an Karfreitag gespielten Melodien veröffentlichte Joe Kienemann mit seinem Trio auf der CD "Pray Jazz", "Christ ist erstanden - Melodien zum Niederknien". Diese finden Sie z.B. auf Spotify oder unter http://www.joekienemann.de/
