31. 2010
Mär

Kloster Ettal 2010

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(Bild aufgenommen im Kloster Ettal am 05. März 2010)


Auszug des Newsletters Nr. 312 vom 28. Februar 2010

"Liebe Freundin, lieber Freund der Jazzbar Vogler,

vielleicht haben Sie darüber gelesen: Im Zuge der Aufdeckung des Mißbrauchs von Schutzempfohlenen in katholischen Erziehungs-Einrichtungen kam nun das an die Öffentlichkeit, was u.a. Kloster-Patres und ehemalige Internats-Schüler des „Internates Ettal“ schon lange wußten: Auch in Ettal wurden Schüler sexuell mißbraucht.

Auch ich war in Ettal (und hatte ein sehr, sehr schöne Zeit dort) und bin, zum Glück, vom Mißbrauch kein direkt Betroffener. Es zerreißt einen aber der Widerspruch des eigenen Erlebten und dem, was die Opfer erlebt haben. Und der Frage: Was hätte man später selber tun können.

Leider haben es u.a. Kloster, Schule und Ehemalige in all den Jahrzehnten nie geschafft, von sich aus die für die Opfer schrecklichen Vorfälle aufzuarbeiten, die richtigen Konsequenzen zu ziehen, den Opfern zu helfen, potentielle neue Opfer zu schützen und die Täter anzuzeigen. Es bedurfte erst des Anstoßes von außen.

Das wichtigste ist jetzt, schonungslos offen alles aufzuklären, den Opfern in jeglicher Hinsicht zuzuhören, den Opfern allumfassend zu helfen und dafür zu sorgen, daß in Zukunft Regularien geschaffen werden, Übergriffe möglichst zu verhindern und schnellstmöglich aufzudecken.

Was wir vielleicht alle daraus lernen können, ist hinzusehen, zuzuhören und: Verantwortung zu übernehmen. Und: „Pädophilie“ muß enttabuisiert werden, damit z.B. junge Menschen, die in ihrer sexuellen Entwicklung feststellen, nicht Frauen oder Männer sexuell anziehend zu finden, sondern Kinder, frühzeitig ohne Scheu an Beratungsstellen wenden können, bevor sie zum Täter werden. Und: In die „Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen durch Geistliche“ gehört nur ein Satz: "Sexueller Mißbrauch wird bei der Staatsanwaltschaft angezeigt."

Am Ende des Newsletters finden Sie ein paar Links zu diesem fürchterlichen Thema.

In diesem Sinne, mit den besten Grüssen und Wünschen
Ihr Thomas Vogler "



Auszug des Newsletters Nr. 313 vom 07. März 2010

"Liebe Freundin, lieber Freund der Jazzbar Vogler,

der Ettaler-Sonderermittler Rechtsanwalt Thomas Pfister hat am Freitag, 5. März in Ettal seinen ersten Bericht zu den Mißbrauchsvorwürfen im Kloster Ettal vorgelegt. Ich war bei der Pressekonferenz in Ettal - und es war schrecklich. Die von Pfister zitierten Beispiele schwerster körperlicher Gewalt an Schülern, die zitierte „Lebensbeichte“ des verstorbenen Pater Magnus, der sich selbst als Opfer sex-gieriger Kinder sah, der Bericht über den Pater, der sich u.a Kinder-Pornographie auf seinen Rechner geladen hat etc. verursachen in der Summe: Schlimmsten Brechreiz. Daß der Vertreter des Klosters, Pater Johannes, Erzieher in Ettal von 1985 bis 1987, in seiner Erklärung zugab „ebenfalls Kinder brutal körperlich misshandelt und gedemütigt (zu haben)“ und der jetzige kommissarische Schulleiter Wolf Rall den Eindruck erweckte, körperliche Gewalt verharmlosen zu wollen, machte alles nur noch fürchterlicher. Beide gelten als Vertreter des „Neuen Ettal“.

Es tut mir leid, daß auch dieser Newsletter mit diesem entsetzlichen Thema beginnt. Aber wenn nicht jetzt eine Aufarbeitung all der Mißbräuche Schutzbefohlener in Erziehungs-Einrichtungen stattfindet, wird sie nie stattfinden. Wenn nicht jetzt die Mauern des Schweigens eingerissen werden, werden Sie ewig stehen. Wenn nicht jetzt den Opfern zugehört und ihnen geholfen wird, werden sie Tag für Tag zu neuen Opfern gemacht. Und wenn nicht jetzt die Gesellschaft beginnt, Pädophilie zu enttabuisieren und es für Heranwachsende, die feststellen sich sexuell nicht für Frauen oder Männer zu interessieren, sondern für Kinder, nicht ganz selbstverständlich wird, zu einer Beratungs-Stelle oder zu einem Arzt gehen zu können, bevor Sie zum Täter werden, wird sich die Zahl der Opfer nie reduzieren. (...)

In diesem Sinne, mit den besten Grüssen und Wünschen
Ihr Thomas Vogler


Meinung

Die Verjährungsfristen bei sexuellem Mißbrauch gehören abgeschafft - sie helfen nur den Tätern, nicht den Opfern.

Es gibt einen „Wehrbeauftragten“ der Bundesregierung - es sollte auch einen „Mißbrauchsbeauftragten“ geben.

Die „Bundeszentrale für Gesundheitliche Aufklärung“ sollte eine Aufklärungs-Kampagne zum Thema „Pädophilie“ initiieren. Pädophilie muß enttabuisiert werden.

Beratungs-Stellen für Menschen mit pädophilen Neigungen sollten ausgebaut werden. Langfristig sollte es für Menschen, die in Ihrer sexuellen Entwicklung feststellen, sich sexuell nicht zu Frauen oder Männern sondern zu Kindern hingezogen zu fühlen, ganz normal sein zu einer Beratungsstelle gehen zu können, bevor sie zum Täter werden.

Es sollte ein „Opfer-Fond“ eingerichtet werden, an dem sich u.a. die Kirchen beteiligen.

Eine Auflösung der juristischen Trennung von „Kirche“ und „Staat“.

In die „Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen durch Geistliche“ gehört nur ein Satz: "Sexueller Mißbrauch/Verdacht auf sexuellen Mißbrauch wird sofort bei der Staatsanwaltschaft angezeigt."

Dass der Jesuitenorden in den USA prophylaktisch Insolvenz angemeldet haben soll, um den Millionen-Klagen der Mißbrauchs-Opfer zu entgehen, ist eine Schande. http://www.focus.de/panorama/welt/schutzmassnahme-jesuitenorden-beantragt-insolvenz-in-den-usa_aid_482642.html 


HILFESTELLUNG

Ansprechpartner für Missbrauchsopfer war Rechtsanwalt Thomas Pfister. RA Pfister hat am 5.März einen ersten Bericht vorgelegt. Der Abschluß-Bericht wurde vom Kloster Ettal nicht veröffentlicht.

Beratung und Therapie für pädophile Männer
http://www.kein-taeter-werden.de/

Informationen über das Thema „Pädophilie“
https://de.wikipedia.org/wiki/P%C3%A4dophilie

Zusammenschluß von und Hilfestellung für Ettaler Mißbrauchsopfer
http://ettaler-missbrauchsopfer.de/


BERICHTERSTATTUNG

„quer“, Bayerisches Fernsehen, Sendung vom 25.02.10: „Mauer des Schweigens; mit Thomas Vogler“ (Sendung nicht mehr online)

„quer“, Bayerisches Fernsehen, Sendung vom 25.02.10: „Studiogespräch mit Thomas Vogler“ (Sendung nicht mehr online)

"Trümmerhaufen Kirche", BR, Stationen. Dokumentation, 24.02.2011.

ARD, „Report München“, Sendung vom 08.03.10
„Mißbrauch hinter Klostermauern - Wie klärt die katholische Kirche in Ettal auf“ 

"Bürgerforum live", Bayerisches Fernsehen, Sendung vom 10. März 2010 (Sendung nicht mehr online)

ZDF.Kultur, Sendung vom 12. Oktober 2011 (?), "Mißbrauch mit System - Ein Buch geht den Vorfällen im Kloster Ettal nach" (Sendung nicht mehr online)

"Bruder, was hast Du getan? Kloster Ettal. Der Skandal nach dem Skandal", SZ-Magazin, Nummer 25 vom 25. Juni 2010, von Bastian Obermayer und Rainer Stadler, Reaktionen auf den Artikel.


Am 4. Oktober 2011 fand im "Vogler" eine von Christoph Süß moderierte Präsentation des am 15. September erschienenen Buches "Bruder, was hast Du getan? - Kloster Ettal. Die Täter, die Opfer, das System" der SZ-Magazin-Redakteure Bastian Obermayer und Rainer Stadler, Verlag "Kiepenheuer & Witsch" statt. Podiums-Gäste waren, neben den beiden Autoren: Robert Köhler, Vorsitzender des Vereins "Ettaler Misshandlungs- und Missbrauchsopfer e.V." und RA Thomas Pfister, ehemaliger "Sonderermittler" der Diözese München. Das Kloster hatte leider eine Teilnahme als u.a. "unmögliches Ansinnen" kategorisch abgelehnt. Auch die Diözese München lehnte eine Teilnahme ab. » Mehr Infos zum Buch


Besprechungen des Buches und der Lesung "Bruder, was hast Du getan?" finden Sie z.B. unter:
http://www.merkur-online.de/
http://www.merkur-online.de/
http://www.dradio.de/
http://www.amazon.de/


WEITERES

Der IPP-Bericht "Sexueller Missbrauch, psychische und körperliche Gewalt im Internat der Benediktinerabtei Ettal", Januar 2013


06.09.11: "Entschädigungszahlungen durch das Kloster Ettal" PRESSEMITTEILUNG_KLOSTER__ETTAL_PDF.pdf (nicht mehr online)

Die Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz zum Vorgehen bei sexuellem Mißbrauch von Minderjährigen durch Geistliche 

"Offener Brief von Abt Barnabas Bögle an die Eltern der Schülerinnen und Schüler", vom 22. Februar 2010, Homepage des Klosters Ettal (Seite wurde vom Kloster Ettal entfernt)